norteclogoNortec, das Kollektiv von mehreren Musikern, hat mit dem eigenwilligen Crossover von Techno und mexikanischer Polka eine kleine Revolution ausgelöst. Fussible (Pepe Mogt), Bostich (Ramon Amezcua), Clorofila (Jorge Verdín), Hiperboreal (Pedro Gabriel Beas), Panoptica, Terrestre und PlanktonMan sind die Macher. Sogar internationale Labels fragen an. Den Platz im Herzen Mexico Citys, den Zócalo, haben sie bereits zweimal mit bis zu 60.000 beglückten Ravern gefüllt.

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Fussible - Nortec Collective: "Ich erinnere mich, es hatte mir echt einen Schock dem Megarave versetzt, als wir auf dieser großen Bühne standen auf dem Riesenplatz Zócalo und dachten, ok, wir bringen 1.000-2.000 Leute zusammen. Zuerst kamen ganz wenige, dann plötzlich kamen sie in Massen, wie wenn sie zu einem Krieg oder so was gehen würden."

Donnerstag abend, Mexico City: Bostich und Fussible bereiten ihren Gig vor in der "Eckzahn"-Bar - einem angesagten Techno/Houseclub. Schon seit 10 Jahren experimentieren die Nortec DJs mit Elektrosounds und Folklore. Letztes Jahr erschien Nortec`s erste weltweit vertriebene CD: Tijuana Sessions. Spätestens seitdem ist der Andrang zu ihren Gigs enorm.

Fussible - Nortec Collective: "Von Anfang an haben wir Witze gemacht und gesagt, das Schlimmste, was wir machen könnten, wäre musica nortena zu mixen. Weil das ist die Musik, die es schon immer in Tijuana gab. Du hörst sie überall. Wir konnten sie nie leiden, weil sie eben die typische folkloristische Musik ist. Dann, als die Idee aufkam, hatte uns sogar schon die Presse, die uns seit 10 Jahren begleitet, gesagt, wir sollten das doch mal mixen. Darüber haben wir nur gelacht und sogar gedacht, das wäre total durchgeknallt."

Der durchgeknallte Sound schlug ein und zum ersten Mal ist mexikanischer Elektro auf internationalen Labels präsent - in Deutschland bei Gigolo Records von DJ Hell.

Tijuana, die Grenzstadt zu den USA, hier leben die Musiker und hier kommt ihre Musik her. Endstation vieler, die es nie in die verheißungsvolle "Erste Welt" (ironisch!) geschafft haben - und gleichzeitig legendäres Sünden-Babel der Amis: Prostitution, Drogen, Casinos.
In den Fischrestaurants läuft das traditionelle musikalische Rohmaterial von Nortec: Musica Nortena. Deutsche und tschechische Immigranten importierten Mitte des 19. Jahrhunderts Polkas und Walzer samt Instrumenten. Gemixt mit tropischen Rythmen wurde daraus die "mexikanische Polka".

Fussible - Nortec Collective: "Die erste Reaktion der Polkamusiker, die wir Soundbites einspielen ließen, war Lachen. Sie fanden den Klang einfach lustig und meinten das sei Disco, Disco-Sound mit norteno. Aber sie haben das nicht wirklich ernstgenommen und trotzdem mitgemacht. Und ordentlich abgelacht dabei."

Wenn sie heute feiern, lacht keiner mehr. Nortec wurde für die Kulturszene in Tijuana zum Vorreiter. Designer und Modemacher schlossen sich dem Musikerkollektiv an, Filmschaffende kreieren Kunstvideos zu ihren Sounds. Endlich gibt es ein Konzept, um das langjährige Verliererimage abzuschütteln.

Bostich - Nortec Collective: "Viele Leute sind wegen Nortec nach Tijuana zurückgekehrt. Für sie war es total überraschend, wie in einem Land, in dem es eine Kultur der elektronischen Musik fast nicht gibt, in dem Technologie nicht vorherrschend ist, ein Dritte-Welt-Land in Anführungszeichen, so etwas wie Nortec existiert. Daher war Nortec wie eine Tür, um auch andere Sachen neben der Musik zu  entdecken."

Mittlerweile ist Nortec bei jeder Reise mit dem Laptop unterwegs, um Soundbites aller Art zu sammeln - ob als Ehrengäste auf angesagten Elektro-Festivals oder international unterwegs zu Gigs. Sie gelten heute als erfolgreichste mexikanische Elektro-Mixer. Ihr Ziel war das nie.

Fussible - Nortec Collective: "Nortec war ein Experiment und es gab nie einen Plan. Alles hat sich einfach so ergeben, ganz natürlich, deswegen gibt es auch keinen Plan für die Zukunft. Jeder entscheidet, was er machen will, dann bringen wir alles zusammen,  fusionieren es und so geht es auch weiter."

Eine Zukunfts-Idee gibt es: Eine von Nortec beschallte Kunstgalerie, in einer tragbaren Brücke über die mexikanisch-amerikanische Grenze.

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