Einleitung
Seit der Entwicklung des MP3-Formats für Musikdateien ist viel über strafbaren Download, verbotenen Besitz und illegales Verschenken zu lesen. Oft wird dabei interessengebunden argumentiert. Im Zeitalter des CD-Brennens gilt dies auch für das Kopieren und Weitergeben von Musik-CDs. Was darf man denn nun, und was darf man nicht?

Musikwerke sind als persönliche geistige Schöpfungen nach dem Urheberrechtsgesetz geschützt. Musikurheber haben persönlichkeitsbezogene und wirtschaftliche Rechte an ihren Stücken. Auf diese Rechte können sie natürlich auch freiwillig verzichten. Die wirtschaftliche Verwertung der meisten Musikstücke erfolgt dadurch, dass eigene Rechte an Firmen aus dem Bereich der Musikindustrie übertragen werden. Das gilt vor allem für das Vervielfältigungs-, Verwertungsrecht sowie das Recht der öffentlichen Wiedergabe, die regelmäßig zustimmungs- und vergütungspflichtig sind. Erfasst werden auch digitale Kopien. Das garantiert, dass Urheber und Urheberindustrien im Prinzip an jedem Verwertungsvorgang beteiligt werden.

Bestimmte Verwertungsvorgänge im privaten Bereich werden jedoch von der urheberrechtlichen Zustimmungs- und Vergütungspflicht ausgenommen. Rechtsfragen der privaten Nutzung geschützter Musikwerke werden nicht erst seit der Erfindung der CD-ROM und des MP3-Formats diskutiert. Gerichtsurteile dazu gibt es praktisch nicht, weil die Nutzung im privaten Bereich weder von den Inhabern der Urheber- und Nutzungsrechte noch von den urheberrechtlichen Verwertungsgesellschaften kontrolliert werden kann, sie also selten davon erfahren werden.

Sie sollen auch nicht davon erfahren: Schon 1965 stand in der Begründung zum Urheberrechtsgesetz, dass ein Verbot der privaten Vervielfältigung in der Praxis nicht durchgesetzt werden kann. Damals ging es um Musik(und Wort-)Aufnahmen mit Tonbandgeräten. Die Gesetzesbegründung betonte, dass wegen des Grundsatzes der Unverletzlichkeit der Wohnung Kontrolleuren der privaten Verwertungsgesellschaften nicht gestattet werden sollte, jede Privatwohnung daraufhin zu überprüfen, ob dort ein Tonbandgerät steht, mit diesem urheberrechtlich geschützte Werke aufgenommen werden und dafür eine Genehmigung erworben wurde. Es wurde als rechtspolitisch bedenklich angesehen, unter diesen Umständen ein gesetzliches Verbot auszusprechen.

Andererseits konnten die finanziellen Interessen der Musikurheberinnen und der Musikindustrie nicht unberücksichtigt bleiben. Deshalb wurde damals die heute noch geltende Lösung der Geräteabgabe gewählt: Der Gesetzgeber erteilt für bestimmte private Kopiervorgänge eine vergütungsfreie gesetzliche Lizenz (§ 53 UrhG). Im Gegenzug müssen Hersteller und Importeure eine auf Geräte und leere Tonträger erhobene Abgabe zahlen, um den Berechtigten die finanzielle Beteiligung an den privaten Verwertungsvorgängen zu garantieren. Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 1971 das System freier privater Kopien einerseits und der Geräteabgabe andererseits für private Tonbandvervielfältigungen akzeptiert.

Digitale Kopien

Im Zeitalter der digitalen Kopie wird vielfach versucht, dieses System in Frage zu stellen. Insbesondere die Musikindustrie weist zu Recht auf die Unterschiede zu früher hin: Kopien können billiger, schneller und in viel besserer Qualität als früher erstellt werden (`Klone'). 1m Gegensatz zu den Softwareherstellern, für die bereits vor Jahren ein Sonderschutz eingeführt wurde (nur berechtigte Nutzer dürfen eine erforderliche Sicherungskopie erstellen), gelten für privates digitales Kopieren immer noch die Regeln die im Zeitalter der analogen Kopie erfunden wurden. In welchem Dilemma die Musikindustrie steckt, zeigt Folgendes: Von der Bundesjustizministerin in einer Rede auf der PopKomm in Köln im August 1999 erwähnte Beispiel zur risikofreien (und absolut legalen) Verlagerung der Tonträgerproduktion in die Privatsphäre: In einer Schulklasse kann mit einer einzigen Original-CD und einem einzigen CD-Brenner jeder Schüler mit Musik zur rein privaten Verwendung zum Preis eines CD-Rohlings versorgt werden (Weitergabe in Form von Tauschbörsen oder Verkauf an Dritte ist dagegen nicht zulässig).

Das Beispiel zeigt, dass die Tonträgerproduzenten heute vor ähnlichen Problemen stehen wie vor Jahren die Softwareindustrie. Klagen aus dem Bereich der Musikindustrie kann deshalb die Berechtigung nicht von vornherein abgesprochen werden. Vielleicht sollte die Abgabe auf CDBrenner und Leer-CDs angehoben werden. Am System der Geräte- und Leer-CD-Abgabe sollte aber aus grundsätzlichen Erwägungen festgehalten werden. Die Musikindustrie kann ihr Vorgehen gegen Diebe des geistigen Eigentums verstärken und dabei die Möglichkeiten des 1990 eingeführten Produktpirateriegesetzes verstärkt nutzen. Dazu gehört die stärkere Bekämpfung der gewerblichen CD-Raubkopierer genauso wie das Vorgehen gegen diejenigen, die Musikstücke unlizenziert im Netz anbieten. Sie sind die Diebe geistigen Eigentums, nicht diejenigen, die für rein private Zwecke kopieren.

Dass Urheberverrechtsletzer im Ausland schwer oder gar nicht greifbar sind, ist ein Problem, mit dem die Industrie leben muss - es ist vorübergehender Natur, schließlich wird sie künftig das Netz auch zu ihrem Vorteil nutzen können. Technische Maßnahmen werden schneller und effektiver sein als das Warten auf die europäische Union oder die WIPO (World Intellectual Property Organization - Weltorganisation zum Schutz des geistigen Eigentums). Dass die Probleme durch die geplante europäische Richtlinie zum Urheberrecht in der Informationsgesellschaft oder im Rahmen des TRIPS-Abkommens (Internationales Abkommen über den Schutz der handelsbezogenen Aspekte des geistigen Eigentums, Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights) gelöst werden, ist nicht zu erwarten.

Privater Download, privates Kopieren

Berechtigte Anliegen der Musikindustrie werden nicht dadurch gefördert, dass die geltende Rechtslage beim privaten Kopieren falsch dargestellt und der Versuch unternommen wird, Nutzer privater Musikkopien zu kriminalisieren. Genau das geschieht aber, wenn behauptet wird, es sei nicht erlaubt, sich `Pirateriedaten' auf den heimischen Computer herunterzuladen. Zum Teil wird auch gesagt, der Besitz von MP3-Dateien sei illegal oder das private Kopieren sei verboten, wenn die Vervielfältigung mit der Absicht des Verschenkens hergestellt werde.

Der Download von Musikdateien aus dem Netz zur rein privaten Nutzung ist legal. Das ergibt sich zwar noch nicht aus der Überlegung, dass derjenige, der sich die Datei aus dem Netz holt, nicht weiß (oft auch nicht wissen kann), ob sie urheberrechtlich korrekt ins Netz gestellt worden ist. Entscheidend ist der Gedanke, dass der private Nutzer für diese Dateien keine Rechte erwerben muss, keine Lizenz braucht. § 53 UrhG enthält eine gesetzliche Lizenz zur privaten Nutzung fremder Musikwerke. Daraus folgt, dass eine vertragliche Lizenz nicht erworben werden muss.

Da kein Erwerb von Rechten nötig ist, spielt es auch keine Rolle, dass es einen gutgläubigen Rechteerwerb im Urheberrecht nicht gibt. Die gesetzliche Lizenz wirkt absolut und direkt gegenüber dem Inhaber der Rechte. Auf die Rechtsbeziehungen zwischen Anbieter und privatem Nutzer kommt es nicht an. Dass der Anbieter gar keine Nutzungsrechte übertragen kann und dass der private Nutzer von ihm keine Nutzungsrechte gutgläubig erwerben kann, spielt also keine Rolle. Wäre es anders, müsste vor jedem Download, vor jeder MusikCDKopie nachgefragt werden, ob sie auch lizenziert ist. Das ist rein praktisch unmöglich, es sei denn, man würde eine weltweit agierende ClearingStelle einrichten, wie das die deutschen Verwertungsgesellschaften für den Erwerb von MultimediaRechten zum Zweck der gewerblichen Nutzung getan haben (www. cmmv.de). Weiter würde es zu einer Massenkriminalisierung von PCNutzern führen, die weder rechtspolitisch sinnvoll noch bei Ausnutzung gegebener technischer Schutzmöglichkeiten für Musikproduktionen notwendig ist.

Kopie von der Raubkopie?

Es wird behauptet, die Vorlage für die eigene Kopie müsse ein rechtmäßig erstelltes Original sein, also urheberrechtlich korrekt lizenziert sein. Das steht so nicht im Urheberrechtsgesetz und wird auch von der Rechtsprechung nicht verlangt. Diese Argumentation trifft auf Computerprogramme zu, nicht aber auf Musikkopien. Der Softwarenutzer braucht immer eine eigene Lizenz. Selbst, wenn er eine in einem urheberrechtsfreien Staat nach dortigem Recht legal produzierte SoftwareCD zur privaten Nutzung nach Deutschland einführen würde, dürfte er sie wegen fehlender Lizenz nicht nutzen.

Da für private Musikkopien keine Nutzungsrechte erworben werden müssen, ist dort die Rechtslage anders. Auch die Vergütung ist anders geregelt: Sie besteht in der Geräte und LeerCDAbgabe, und nicht in der individuellen Lizenzzahlung durch den Nutzer. Dieser grundlegende Unterschied zwischen SoftwareCD und MusikCD wird oft verkannt. Zu Recht wird allerdings darauf hingewiesen, dass das für die Kopie benutzte Werkstück rechtmäßig in den Besitz des Nutzers gelangt sein muss (ungeschriebenes Merkmal des § 53 Abs. 1 UrhG). Hier ist darauf hinzuweisen, dass weder Diebstahl noch Unterschlagung begeht, wer MP3Dateien aus dem Netz lädt oder von der auf dem Flohmarkt gekauften (Raub?)Kopie kopiert. Auch Beihilfe zum Raubkopieren liegt nicht vor, weil die Urheberrechtsverletzung schon dann stattgefunden hat, als die MP3Datei unlizenziert im Netz verbreitet oder die CDROM ohne Lizenz produziert wurde.

Auch Hehlerei ist nicht gegeben, weil der mögliche urheberrechtliche Mangel der benutzten Vorlage die sachenrechtliche Lage nicht beeinflusst, eine rechtswidrige Besitzlage dadurch nicht entsteht. Auch wer sich CDs von anderen leiht, um sie privat zu kopieren, verstößt weder gegen Urheber noch Strafrecht. Den Diebstahl geistigen Eigentums begeht derjenige, der unerlaubt ins Netz stellt, unerlaubt produziert und verbreitet. Natürlich auch derjenige, der seine zunächst rechtmäßig erstellten Privatkopien ins Netz stellt oder dritten Personen zum Tausch anbietet. Nicht verwechseln darf man die für privates Kopieren geltenden Grundsätze mit dem Vervielfältigen für sonstige eigene (berufliche, gewerbliche, wissenschaftliche) Zwecke. Der Betrieb, die Bibliothek, die Kopien für ein eigenes Archiv erstellen, müssen dafür ein eigenes Original erwerben.

Strenge Maßstäbe gelten auch für SoftwareCDs, bei denen die erforderliche Sicherungskopie (1 Exemplar) nur vom berechtigten Nutzer des Programms, also in der Regel dem Käufer der CD, erstellt werden darf, und die Nutzung durch andere auch privat unzulässig ist. Auch bei elektronischen Datenbankwerken (zum Beispiel MultimediaLexikon auf CDROM) ist Kopieren für private Zwecke seit 1. 1. 1998 verboten.

Besitz strafbar?

Entgegen immer wiederkehrenden Behauptungen aus zum Teil interessengebundenen Kreisen ist es nicht strafbar, aus dem Netz heruntergeladene (und dort unerlaubt eingestellte) MP3Dateien oder CD-Raubkopien zu besitzen. Bei dieser Behauptung wird einiges durcheinandergebracht: Manche Autoren denken vielleicht unbewusst an den Download bestimmter pornographischer Angebote (mit Kindern, Gewalt, Tieren), deren Besitz in der Tat nach § 184 Absatz 3 StGB strafbar ist und auch zur Einziehung des Rechners führen kann, mit dem die Dateien heruntergeladen wurden. Für Musikdateien gilt das genauso wenig wie für den Besitz von raubkopierten CDROMs oder Piraterieware von Markenartikeln. Eine rechtswidrige Besitzlage, die das private Kopieren unzulässig macht, liegt nur dann vor, wenn der private Kopierer selbst klaut oder unterschlägt, dazu Beihilfe leistet, sich als Hehler betätigt oder Raubkopien gewerblich verwertet. Inwieweit in Ausnahmefällen bei an sich nicht strafbarem, aber verwerflich erlangten Besitz an gewerblichen Raubkopien ein Gericht die Einziehung von Raubkopien anordnen kann, ist umstritten.

Verschenken illegal?

Das Urheberrechtsgesetz macht die Zulässigkeit von Kopien nicht davon abhängig, wer sie später hört. Von MusikCDs oder MP3Dateien können zum privaten Gebrauch `einzelne Vervielfältigungsstücke' hergestellt werden. Nach einem zu Papierkopien ergangenen BGH-Urteil von 1978 liegt die Obergrenze bei maximal sieben Kopien. Über diese Zahl kann man bei Musik diskutieren, weil das Gesetz keine genaue Zahl nennt. Zum Teil wird in der urheberrechtlichen Literatur von drei bis maximal sieben privaten Kopien gesprochen. Auf jeden Fall ist es also zulässig, mehr als eine Kopie für private Zwecke zu erstellen.

Diese Kopien dürfen weder verbreitet noch zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Man kann immer wieder lesen, auch das Verschenken sei verboten. Das stimmt nur teilweise. Die private Weitergabe an Dritte, mit denen eine persönliche Beziehung besteht, ist nämlich keine Verbreitung im Sinne des Urheberrechtsgesetzes. Unzulässig ist nur das Verschenken an Personen, zu denen keine persönliche Beziehung besteht. Wer 50 Freunde hat, kann nicht mit dem Argument, Weitergabe an sie sei wegen persönlicher Verbundenheit keine Verbreitung', 50 Kopien erstellen. Das hängt damit zusammen, dass das Recht zum privaten Kopieren, wie erwähnt, auf einzelne Vervielfältigungsstücke beschränkt ist.

Da bei Musik, anders als bei Software, die Kopie von der Kopie nicht verboten ist, könnte allerdings jeder Beschenkte sein Exemplar für weitere private Kopien nutzen. Daran und in der Tatsache, dass auch bei vielfachem Kopieren sich die Qualität der Musik nicht verschlechtert, zeigt sich das Dilemma, in dem die Musikindustrie seit der Erfindung des digitalen Kopierens steht.