"Weil seine Eltern zu arm waren, um sich Musikunterricht für ihren Sohn leisten zu können, brachte Coleman sich alles selbst bei. Er kaufte auch sein Saxophon selbst. Es hatte ihm keiner gesagt, daß das Saxophon anders notiert wird, als es gestimmt ist, und so hatte er als 14/15 jähriger Junge alles "schulmäßig" falsch gespielt. Vielleicht sind deshalb die harmonischen Eigenheiten, die Coleman von Anfang an besaß, zu erklären. Schon früh spielte er in den verschiedensten Bands und Rhythm-and-Blues Gruppen. Weil fast kein Musiker etwas von ihm wissen wollte arbeitete er als Liftboy in Los Angeles, wo er die meiste Zeit in den 50ern lebte. Bis dahin baute die Improvisation auf festen harmonischen Muster auf, aber in Ornette Colemans' "Harmonischer Theorie" verließen die Musiker zeitweise das strenge harmonische Muster bei der Improvisation um ausdrucksvoller zu spielen. Weil die Stimmung eines Stückes nach dem Willen des Spielers, der improvisiert, geändert wird, nennt man diese Art des Jazz "Free Jazz".
1958/59 nahm Coleman die ersten beiden Platten auf:"Something Else! The Music of Ornette Coleman" und "Tomorrow is the Question". Er dachte zwar nicht im geringsten daran, ein den Jazz betreffende Revolution einzuleiten( er spielte immer nur seine Musik), doch 1959 wurde Coleman als zweiter "Bird" bezeichnet und die Jazz-Fans hatten das Gefühl, das ein neuer Stil beginnt.
1960 trat das erste Mal der Begriff "Free Jazz" als Titel seiner Schallplatte auf. Er verwand zwei Quartetts die sich beim Improvisieren gegenüberstanden. In den nächsten 2 Jahren war es um Coleman etwas ruhiger geworden. Er lernte zwei neue Instrumente(Violine und Trompete) und beschäftigte sich außerdem mit Kompositionen für Kammerensembles. In dem vielleicht bedeutendsten Jazzjahr in d. Coleman-Ära (1965) wurde "Ascension" und " A love Supreme" veröffentlicht. In diesem Jahr kam er auch zu den Berliner Jazz Tagen und stellte dort fast alle anderen Musiker in den Schatten."
www.igt-online.com/bastian/ornette.htm
Hier mein Beitrag zu einm Ornette Coleman Sammelthread. Es sind 2 legendäre Aufnahmen seines "original quartet" sowie 2 Projekte der 80er Jahre. Die Kritiken der ersten drei Platten sind aus dem Buch "Ornette Coleman - Sein Leben, seine Musik, seine Schallplatten" von Peter Nicklas Wilson.
Die CDs wurden mit LAME 3.91 -alt-preset-standard- codiert. Die Zugangsdaten für den Myplay-Account gibt es via PN.
Ich bin an anderen Ornette Coleman Platten interessiert, besonders würde ich mich über die Blue Note und Columbia Sachen freuen (siehe Diskographie im vorherigen Beitrag)
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Shape of Jazz to come
(1959)
allmusic.com/cg/amg.dll?p=amg&sql=A5rfqoa8ayijb
Mit Colemans erster Einspielung fur das Atlantic-Label entfallen alle Einschrankungen, die zuvor noch einer perfekten Dokumentation seines musikalischen Konzepts im Wege gestanden hatten: mit Cherry, Haden und Higgins ist nun erstmals das legendare "original quartet" zu hören, das Jahre später fur Colemans Doppel-LP »In All Languages« revitalisiert wurde. Die Mitwirkung Hadens ist von besonderer Bedeutung; denn wenn Coleman auch davor mit kompetenten Bassisten arbeiten konnte, so war doch der damals gerade 21 Jahre alte Haden der erste, der der harmonischen Freiheit des Saxophonisten einen entsprechend freien Kontrapunkt im Bafiregister entgegenzusetzen wuBte.Doch ist »The Shape Of Jazz To Come« nicht nur die erste Coleman-LP in der heute schon klassischen Besetzung, sondern auch vom musikalischen Gehalt, wie es Martin Wiliams treffend formulierte, »eine zentrale Einspielung in Colemans Entwicklung und in der Entstehung des neuen Jazz«. Sie enthalt einige von Colemans bekanntesten Stücken iiberhaupt: so »Lonely Woman« mil seiner frei rubato über einem raschen Schlagzeugpuls schwebenden bluesigen Melodie und »Peace«, eines der schonsten von Colemans lyrischen Themen. Weisen diese beiden Stücke (wie auch »Chronology« und »Eventually«) ein durchgehendes konstantes Tempo auf, so sind »Congeniality« und »Focus On Sanity« Prototypen der mehrgliedrigen Coleman-Kompositionen, die aus Segmenten in verschiedenen Tempi und Metren zusammengefugt sind. In »Congeniality« alternieren schnelle 4/4-Passagen mil langsamen 3/4-Einschüben, und noch origineller ist die Struktur von »Focus On Sanity«: hier werden die drei Bausteine der Komposition nicht unmittelbar nacheinander exponiert, sondern dienen als Klammer und Umrahmung von Bass-, Saxophon-, Trompeten- und Schlagzeugsoli. Damit wird die traditionelle Thema-Soli-Thema-Dramaturgie zugunsten einer innigeren Verschrankung komponierter und improvisierter Teile aufgegeben. Innovativ ist »Focus On Sanity« zugleich in der Kontrastierung von insgesamt vier Tempoebenen, die recht genau durch die Proportion 2:3:4:8 aufeinander bezogen werden konnen. Die ungewohnlichen rhythmischen und metrischen Strukturen sind dabei nur Ausdruck von Colemans spezifischer melodischer Erfindung, wirken somit natürlich und einleuchtend, nicht etwa als Resultat eines demonstrativen Bruchs mit der Tradition oder übergeordneter Konstruktion. Dennoch ist es frappierend, mit welcher Souveränität das Quartett diese Ideen umsetzt - zumal, wenn man in Rechnung stellt, daß die sechs Titel an einem einzigen Tag produziert wurden. Es besteht kein Zweifel: Das Ornette Coleman-Quartett von 1959 war eine der wichtigsten small groups der Jazzgeschichte; »The Shape Of Jazz To Come« ist eine Platte, die ihren großmäuligen Titel nicht zu Unrecht trägt.
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Change of the century
(1959)
allmusic.com/cg/amg.dll?p=amg&sql=Aim2uakjkgm3p
Die letzte an der Westküste aufgenommene LP des Coleman-Quartetts bringt Konsolidierung, Verfestigung des in »The Shape Of Jazz To Come« Erreichten, darüber hinaus aber kaum Neues. Was nicht heißt, daß die Musik nicht erstklassig wäre. »Ramblin'« und »Free«, beide bereits aus den Hillcrest-Mitschnitten bekannt, erscheinen in ausgereifteren Versionen: In »Ramblin'«, einem Stück mit unverkennbarem Country-Blues-Feeling, sind die Improvisationen nun deutlich in wechselweise 16- und 12taktige Abschnitte gegliedert, die von der Rhythmusgruppe klar voneinander abgesetzt werden; in »Free« wird der Mittelteil des Themas nun von Baß und Schlagzeug allein ausgefüllt, wobei auf einen durchgehenden artikulierten beat verzichtet wird. Wenn Coleman im Hüllentext schreibt, in diesem Stück würde »free group improvising« modellhaft vorgeführt, so ist das zumindest kommentarbedürftig. Im großen und ganzen folgt »Free« der althergebrachten Thema-Soli-Thema-Struktur; allerdings gibt es kurze Episoden freien Wechselspiels der beiden Bläser, und auch das zeitweilige Aussetzen des Schlagzeugs trägt zu einer Öffnung des musikalischen Geschehens bei. Der Baß seinerseits gibt sich besonders emanzipiert im Titelstück der LP: Haden gestaltet hier erstaunlich autonome Linien, die sich der Funktionalisierung zum bloßen Pulsgeber entziehen, auch rhythmisches Eigenleben annehmen. Überhaupt erhält der Bassist aus Missouri auf »Change Of The Century« ausgiebige Chancen zum selbständigen und solistischen Spiel; so in »Ramblin'« und - der Titel deutet den Feature-Charakter bereits an - »The Face Of The Bass«. In »Forerunner« dagegen imponiert besonders Don Cherrys solistische Souveränität. Und »Una Muy Bonita« bringt eine zuvor kaum angedeutete Komponente von Colemans Musik zum Klingen: eine leichtfüßige, sextenselige, tänzerische Musik, wie sie aus Mexiko in Colemans heimatliches Texas importiert wurde. »Bird Food« schließlich betont die Bebop-Traditionslinie von Colemans Musik, und man möchte ihm nicht widersprechen, wenn er meint. Charlie Parker hätte, wäre er noch am Leben, sehr wohl begriffen, was es mit Traditionsbezug und Traditionsbruch bei Coleman auf sich habe: »Bird hätte uns verstanden. Er würde es begrüßt haben, daß wir nach etwas streben, das über das hinausgeht, was wir geerbt haben.«
Fazit: eine sehr ausgereifte, glänzend präsentierte, durchaus nicht tastend-experimentelle Musik eines hervorragend aufeinander eingespielten Quartetts. ». . . the best we have made so far« meinte dann auch ein selbstsicherer Coleman über diese seine vierte Studio-LP.
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Pat Metheny & Ornette Coleman : Song X
(1985)
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Der Readers' Poll des Fachmagazins "Down Beat" Kürte sie zum "Jazz Album of the Year 1986«, und tatsächlich ist »Song X« eine in vieler Hinsicht bemerkenswerte Platte. Während Coleman-Puristen die Zusammenarbeit ihres Idols mit dem Gitarren-Sunnyboy Pat Metheny skeptisch bis verständnislos registrieren mochten, dürfte die Kooperation der beiden big names für Metheny-Anhänger weniger überraschend gekommen sein: bereits auf seiner ersten ECM-LP aus dem Jahr 1975 hatte der Gitarrist zwei Coleman-Themen interpretiert; eine Doppel-LP mit den Coleman-Gefährten Dewey Redman und Charlie Haden fünf Jahre später und ein Trioalbum mit Haden und dem "original quartet"-Drummer Billy Higgins noch einmal drei Jahre darauf waren weitere Belege für eine lange und intensiv kultivierte Verehrung. Charlie Haden, sozusagen das künstlerische Bindeglied, war es dann auch, der Coleman nach langem Zögern zu einer Schallplattenproduktion mit dem Erfolgsgitarristen animieren konnte.
Besagte Coleman-Puristen hatten sich zu Unrecht gesorgt. Denn eine Annäherung an den süßlich-pastoralen Tonfall mancher Metheny-Aufnahmen wird man auf »Song X« nicht registrieren können. Ganz im Gegenteil: Das ist eine energiegeladene, kompromißlose, streckenweise harte Quintettmusik, die gelegentlich mehr noch als Colemans frühere Aufnahmen Anklänge an das eruptive New Yorker energy playing der mittsechziger Jahre aufweist. So in »Endangered Species«, wo Metheny seine Gitarre mittels Synthesizerankopplung und Stereoverstärkung in ein vielstimmiges Orchester verwandelt, dessen Turbulenzen mitunter sogar Colemans scharf geschnittene Linien zu verschlucken drohen. Und unter dieser Dichte des melodischen Geschehens brodelt ein doppeltes Schlagzeuggewitter, das seinerseits Charlie Hadens Baßlinien in den Hintergrund drängt. Nicht nur hier, sondern auf der gesamten LP bedient sich Metheny der digitalen Ergänzung seines sattsam bekannten (da viel imitierten) Gitarrenklangs. Das ermöglicht einmal eine stellenweise verblüffende Annäherung des Instruments an die Saxophonklangfarbe, zum anderen erlaubt es eine Aufspaltung einer monodischen Gitarrenlinie in eine Parallelität von Stimmen, was bestens mit Colemans »harmolodisch«-orchestralem Klangideal harmoniert. Doch nicht allein technische Faktoren sind für die überraschend intensive Interaktion beider Melodieinstrumente verantwortlich. Drei Wochen lang, so berichtet Metheny, habe er täglich acht Stunden lang mit Coleman geprobt und so ein Niveau des Zusammenspiels erreicht, das nichts mit dem eines der vielen gängigen Studio-Meetings zweier Größen gemein hat. Früchte dieser gründlichen Vorbereitung waren dann auch vier Stücke, für die Metheny und Coleman als Ko-Komponisten geführt werden, ohne daß man die Ideen-Anteile der zwei doch recht verschiedenen Musikerpersönlichkeiten nachträglich auseinanderdividieren könnte. Neben der Free-Heftigkeit von »Endangered Species« und den high tech-Soundspielereien von »Video Garnes« gibt es auch verhaltenere Titel; so die schlichte Ballade »Kathelin Gray« und ein sehr laid back im Swing-Idiom dargebotenes remake von »Job Mob«, zuerst im Jahr 1979 auf »Of Human Feelings« eingespielt. »Long Time No See« schließlich läßt sich sogar bis zur »Friends And Neighbors«-LP aus dem Jahr 1970 zurückverfolgen. Doch ungeachtet dieser Reminiszenzen ist »Song X« keineswegs eine nostalgische, sondern eine lebendige, dynamische, inspirierte Produktion (wobei auch der »Studio-live«-Charakter der Aufnahme eine Rolle gespielt haben dürfte.) Metheny-Verächtern (aber natürlich nicht nur ihnen) wird sie zu denken geben.
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Sound Museum (Hidden man)
(1986)
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Mit dieser Doppelveröffentlichung verfolgt Ornette ein didaktisches Ziel: Indem er zweimal eine fast identische Abfolge von alten und neuen Songs (in abweichenden Versionen) präsentiert, will er die Folgen des harmolodischen Prinzips demonstrieren. Da es keine „Solisten“ und „Begleiter“ gibt und alle mehr oder weniger gleichzeitig solo spielen, fällt jede Interpretation verschieden aus – eigentlich logisch.
Dasselbe Konzept hat er auf dem Doppelalbum „In All Languages“, wo er die gleichen Titel von seinem akustischen Quartett und der elektrischen „Prime Time Band“ realisieren ließ, allerdings schon überzeugender vorgeführt: Denn der Schlagzeuger – Colemans Sohn Denardo – hat von Swing, Puls oder Groove leider wenig Ahnung. Dafür fügt sich das ebenso dilettantische Geigen- und Trompetenspiel seines Vaters wieder erstaunlich gut in den Gruppensound, zu dem Bassist Charnett Moffett noch die mit Abstand substantiellsten Beiträge liefert.
Das Hauptproblem des Klangmuseums ist ein anderes: Seit 1958, als er mit Paul Bley und Walter Norris im Quintett musizierte, hat Coleman kein Klavier mehr in seiner Band geduldet. Nun spielt Geri Allen bei ihm Piano, und ihr akkordisches Spiel beißt sich mit der bluesig versch(r)obenen Kinderliedharmonik Colemans in einer Weise, die sich Hersteller von Kopfschmerztabletten nur wünschen können.
www.rondomagazin.de/jazz/c/coleman_ornette/oc03.htm